»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragt er mich. Er ist einen halben Kopf kleiner als ich, schaut musternd mit seiner faltigen Visage zu mir herauf und greift mir an den Ellenbogen. Ich schüttle aus Reflex seine Hand energisch weg, so dass mir fast das Rührei vom Teller fällt. »Fass mich nicht an, du Pestfetzen«, zische ich ihm aufgebracht entgegen und schubse ihn grob von mir weg.
Er strauchelt, kann sich aber fangen, bevor er den Halt verliert. Um uns herum ist es still geworden, die Blicke in dem großen Frühstückssaal sind auf uns gerichtet und ich bemerke, dass Rieke sich hinter mich stellt und meinen Unterarm umfasst. Sie sagt nichts. Ernstl sagt nichts. Er blickt mich nur abschätzig an, nickt lächelnd und bewegt sich wortlos an mir vorbei.
»Was war denn los?«, fragt mich meine Freundin.
»Ich muss los«, antworte ich nur.
»Wo wollen wir denn hin?«
Ich drehe mich um und sehe, wie sich Ernstl in aller Seelenruhe seinen Teller mit Aufschnitt belädt. Kurz schaut er zu mir herüber, wendet aber den Blick schnell ab, als er sieht, dass auch ich ihn beobachte.
»Ich muss nach Hause.«
»Bitte? Du musst nach Hause?« Rieke schüttelt verwundert den Kopf. »Wir haben doch noch fünf Tage.«
»Bleib du ruhig hier. Aber ich habe etwas Wichtiges zu erledigen, tut mir leid.«
Meine Freundin ist zu perplex, um etwas darauf zu erwidern. Mein Schamgefühl kommt durch und ich nehme sie in den Arm. »Glaub mir, ich würde nicht abhauen, wenn es nicht wichtig wäre. Es ist wirklich dringend.« Ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn.
»Können wir trotzdem noch in Ruhe frühstücken?«
Ich nicke, habe aber meine Augen auf dem Rücken dieser Bestie ruhen.